A138 Herbst 2024 : Schweizer Kunst

16 Schweizer Kunst 16 ANKER, ALBERT (1831 INS 1910) SCHREIBENDES MÄDCHEN. Aquarell, sig. u. dat. 1909 u.l., 34,5 x 24,5 cm (LM) CHF 30000.– / EUR 33000.– Schon während seiner Schulzeit nahm Albert Anker privaten Zeichenunterricht und absolvierte auf Drängen des Vaters hin ab 1851 ein Theologie- studium in Bern und Halle. 1854 zog er nach Paris, um sich zum Maler ausbilden zu lassen. Hier erhielt er Unterricht vom Schweizer Klassizisten Charles Gleyre, und 1855-1860 besuchte er Kurse an der École Impériale et Spéciale des Beaux-Arts. Ab 1856 war er regelmässig in den Turnus- Ausstellungen des Schweizerischen Kunstvereins vertreten, ab 1859 auch im Pariser Salon, wo er 1866 eine Goldmedaille gewann. Im gleichen Jahr nahm er seine Tätigkeit für die Fayencefabrik der Gebrüder Deck auf. Die Sommermonate verbrachte er in Ins, die Wintermonate in Paris. In den 1880er Jahren unternahm er mehrere Italienreisen. Im Mai 1890 gab er seinen Pariser Wohnsitz auf und begann kurz darauf, im Auftrag des Neuenburger Verlegers Frédéric Zahn Illustrationen zu dessen Gotthelf-Ausgabe zu schaffen, eine Arbeit, die ihn jahrelang in Anspruch nehmen sollte. Im September 1901 erlitt Anker einen Schlaganfall, der seine rechte Hand vorübergehend lähmte. Mit ungeheurer Beharrlichkeit versuchte er hie- rauf, seine Schreib- und Malfähigkeit wieder zu erlangen: Bereits drei Monate später schuf er sein erstes verbrieftes Aquarell wieder rechtshändig, gefolgt von rund 350 weiteren Aquarellen, wozu er teilweise auch seine linke Hand als fixierende Stütze für seine Rechte einsetzte. Thematisch konzentriert sich Ankers Spätwerk auf die engste Umgebung des Künstlers. Ihren Blick in die Arbeit versenkt, schreibt das Mädchen fein säuberlich Zeile um Zeile ins Heft. Unter ihre rechte Hand hat sie aus Vorsicht ein Blatt gelegt, damit die Schrift nicht verschmiert. Durch den neutral dunkel gehaltenen Hintergrund rückt der Akt des Schreibens in bühnenhafter Lichtinszenierung in den Fokus. Gekonnt fing Albert Anker im vorliegenden Aquarell die konzentrierte Aufmerksamkeit des noch jungen Schul- mädchens ein. Albert Anker im Atelier.

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ4OTU=