"Autunno a Maloggia".
Öl auf Leinwand,
sig., mgr. u. dat. 1919 u.l., verso bez. "Maloja",
61,5x50,5 cm
Provenienz: Altberner Privatsammlung.
Ausstellung: Giovanni Giacometti. Artistes fribourgeois, Kunsthalle Bern, 25. September - 24. Oktober 1920, Nr. 39 (mit Abbildung, dort betitelt: "Malojasee mit Piz Corvatsch").
Literatur: Registro dei quadri, No 2, S. 32, Nr. 366; Paul Müller/Viola Radlach, Giovanni Giacometti 1868-1933. Werkkatalog der Gemälde, Bd. II-2, Zürich 1997, S. 446, Nr. 1919.21 (mit Abbildung).
Das Jahr 1918 brachte eine Wende in der Malerkarriere des 50-jährigen Giovanni Giacometti. Anlässlich seiner grossen Retrospektive in der Galerie Moos in Genf erschien eine Sondernummer der Zeitschrift "Pages d'art", verfasst von Daniel Baud-Bovy, dem Direktor des Genfer Musée d'Art et d'Histoire. Zwei Jahre später folgten umfangreiche Ausstellungen in Bern, Basel und Chur sowie 1922 im Kunsthaus Zürich. An der Berner Vernissage sprachen hohe Politiker zu Ehren des neben Cuno Amiet inzwischen bedeutendsten lebenden Künstlers der Schweiz. Giovanni Giacometti hatte die stürmischen Jahre seines Kampfes um Anerkennung hinter sich, als er sich neben seinem Freund Cuno Amiet für eine Veränderung der Sehgewohnheiten in der Kunst einsetzte, welche die Moderne mit ihren vom Gegenstand abstrahierenden Formen mit sich brachte. Seit jeher, seit dem Abschluss seiner Studien stand für ihn nicht der Gegenstand an sich, sondern das Festhalten des individuellen Eindrucks, den das Gesehene und Erlebte auf ihn machte, im Zentrum seiner künstlerischen Bemühungen; dabei ging es ihm vor allem um die Wiedergabe des Lichtes, um die Art und Weise, wie - seiner eigenen Aussage nach - "die Dinge ins Licht getaucht sind". Die Sehnsucht nach dem Licht sollte zu seiner lebenslangen Triebfeder werden, gewiss auch begünstigt durch seinen Wohnort, das tief im schattigen Bergeller Tal gelegene Stampa, das die Sonne im Winter während dreier Monate nicht erreichte. Mit dem divisionistischen Prinzip der einzeln nebeneinander gesetzten Striche unterschiedlicher Farbgebung, die eine Intensivierung des Licht- und Farberlebnisses bewirkten, sah er sich zunächst seinem Ziel näher. Mit der Zeit lockerte sich das dichte Strichgewebe, wurde zu breiteren Tupfen und Flecken, bis es in den 1920er Jahren zu einem mitunter pastosen oder auch gespachtelten Farbauftrag miteinander verschmolz. Gemäss eigener Aussage war ihm der "enge Umkreis seiner Berge Inspiration und Nährboden für ein ganzes Leben". Hier fühlte er sich "dem geheimnisvollen Schauspiel des Lebens" nahe, "der unendlichen Schönheit der Natur", die ihn mit Bewunderung erfüllten und zur Darstellung drängten.
Das Gemälde "Autunno a Maloggia" von 1919 zeigt den Engadiner Silsersee mit dem Ferienhaus des Künstlers und seiner Familie im Vordergrund vor der majestätischen Kulisse des Piz Corvatsch im herbstlichen Farbenspiel voller Intensität. Und es zeigt die Meisterschaft des grossen Koloristen anhand eines Pinselduktus, gestrichelt, getupft oder verschmolzen, seine Vision einer licht- und farbdurchtränkten Landschaft zu gestalten - mit grosser Freiheit, jenseits aller doktrinärer Theorien und intuitiv geführt von seinem untrüglichen Farb- und Formempfinden.
Wir danken Viola Radlach, Zürich, für ihren Katalogbeitrag.